Freitag, 14. Januar 2011

Heimkommen

Damals: Heimkommen


Während sie vor knapp anderthalb Jahren am Flughafen Edinburgh saß und auf den Aufruf zum Boarding nach München wartete suchte sie verzweifelt nach dem Gefühl des Heimkommens in sich. Doch da war nichts außer einem unangenehmen Ziehen in der Brust und verstreuten Bildern vom Meer, von dunklen Gassen, von lachenden Menschen und grünen Hügeln in ihrem Kopf. Schottland hatte sie geschluckt, kompromisslos, klaglos, mit Haut und Haaren. Wenn sie ehrlich war so musste sie sich eingestehen dass sie sich fürchtete vor München, dem großen Kritiker, der sie schon so oft wieder ausgespien hatte.

Was sie an Schottland vermissen würde:
Poesie (den Geschmack, die Reinheit, das Schwindelgefühl und die zitternden Wimpern, in geringen Dosen eingenommen, genau wie - ) Whisky (siehe Poesie, erweckte den Mann in ihr, genau wie - ) Sex (das wache Herz, den salzigen Schweiß, das Hecheln, genau wie - ) Schönheit (ihren Körper und all die Körper in ihrer Umgebung, all die Seelen in ihrer Umgebung und ihre - ) Seele (all diese Elemente aufzuheben nebst) Verstand (all diese Elemente zu ordnen).


Ich kehre zurück
in das Land
mit dem leeren Himmel:

eine weiße Bühne
für meine Erinnerungen.

Die Gedanken sind schwarz und frei.
Sie wüten in mir.

Es ist
eine unerträgliche Hitze
nach Monaten voller
Meersturm.

Die Luft hier schmeckt
wie abgestandenes Wasser.
Ich muss sie kochen
mit meinen brennenden Lippen.

Wenn sie erkalten,
wenn meine Gedanken endlich
weggesperrt sind und
wenn die Bühne weiterzieht
bleibt Nausea.







Jetzt: Heimkommen


Während sie am Münchner Flughafen sitzt und auf den Aufruf zum Boarding nach Edinburgh wartet sucht sie verzweifelt nach einem Gefühl des Verlierens in sich. Doch da ist nichts außer einem aufgeregten Flattern in der Brust und verstreuten Bildern von Krankenhäusern, dunklen Gassen, grausamen Menschen und einsamen Nächten in ihrem Kopf. Schottland würde sie mit offenen Armen empfangen und die Leere in ihr füllen, das wusste sie, genauso wie München sie schmerzlos gehen ließ.

Nur ihre Freundin würde sie zurücklassen. Sie nimmt ihr Handy heraus und schreibt ihr: „Du bist da. Wer will schon einen Körper, wenn er einen Geist haben kann?“. Dann schaltet sie ihr Telefon aus, steigt in den Flieger und überquert den Ozean, der in ihrem Leben die Grenze zwischen Sollen und Wollen markiert.

Als sie nach der Landung das Handy wieder einschaltet lautet die Antwort: „Nimm mich mit zurück in deine erste schottische Nacht.“

Und das tut sie:


Nachts schmeckt die Luft
nach verbranntem Regen
mit einer Prise Gefahr –
wir kosten, wir seufzen selig, wir
fürchten uns nicht

Wir haben dir das Lachen
auf die Fahnen geschrieben
wir laufen zu dir und in dich und
weg schneller schneller nein wir
fürchten uns nicht

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nachts
verschwimmt der Grat zwischen
Spaß und Ernst
verschwinden wir zwischen
schwarzen Schatten und Feuerwerkskörpern
befinden wir nein wir
fürchten uns nicht wir
fürchten uns nicht das
Mädchen im Hauseingang hält sich
an ihrer Flasche fest ihre
Welt verschwimmt zwischen
Ernst und schwarzen Schatten
es fürchtet sich wohl doch wir
halten uns an unseren Flaschen fest
wir verschwinden zwischen
Spaß und Feuerwerkskörpern wir
nein wir nicht
wir fürchten uns nicht

3 Kommentare:

  1. Ich freue mich immer wieder wenn ich sehe, dass ein neuer Post von dir eingegangen ist. Du hast einen wunderbaren Schreibstil, der einen einfach nur so durch die Sätze zieht und das sage ich weitaus nicht von vielen Schriftstellern..

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  2. Hey Juliet, danke für deinen Kommentar, das freut mich sehr zu hören.
    Dies ist mein letzter Eintrag zu dieser Serie, ich werde wahrscheinlich ab jetzt nur noch Kurzgeschichten und Gedichte kombinieren... Genaueres wird noch bekanntgegeben.
    Danke für's Lesen und Kommentieren! Liebe Grüße

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  3. Hallo headoverheels,
    ich bin auf deinen Blog gestoßen,
    und würde ihn gerne in der SZ vorstellen, meld dich unter: jovanaliebe@gmx.de.
    bestes Jovana

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