Jetzt: Überleben
Sie hält eine leere Kaffeetasse umklammert. Ihre Wohnung ist im ersten Herbststurm abgekühlt, sie scheint es nicht zu merken. Ihr Körper merkt es, jeder einzelne Muskel ist gespannt. Sie ist ein Tier mit geweiteten Pupillen, bereit zum Sprung.
Wohin läuft man auf der Flucht vor etwas, das einem auf Schritt und Tritt folgt? Man läuft nicht. Man bleibt stehen. Man wird zu etwas anderem, zu einem Wesen, dem sein Schatten gleichgültig ist. Das keinen Schatten kennt. Ein Tier mit geweiteten Pupillen vielleicht. Oder ein Stück Holz.
Am schönsten vielleicht noch – eine Statue. Damit der Rest der Welt nichts bemerkt und man sie weiter betrachten kann. (Bitte nicht anfassen.)
Sie unterteilt ihre freie Zeit in Abschnitte, die alle ziemlich genau eine Stunde dauern (wahlweise eine Die Drei ??? Kassette oder ein Kapitel aus Jenseits von Gut und Böse). Sie geht zur Arbeit. Sie isst. Tatsächlich isst sie ziemlich viel in letzter Zeit, nun, im Grunde kocht sie einfach nur ziemlich viel in letzter Zeit. Diese ungewohnten Handbewegungen, die neuen Geschmackserlebnisse, nichts davon könnte irgendwelche Erinnerungen wachrufen. Es beginnt mit den Muscheln, die sie in Brügge gegessen hat. Dann kocht sie sich beständig durch den restlichen Blog.
Sie kocht auch für andere, die kommen und essen und betrachten die Statue. (Bitte nicht anfassen.)
Auch heute Abend hat sie Menschen eingeladen, die lange über seltsam wächsern aussehenden Artischocken schweigen. „Das in der Mitte, das muss man rausschneiden, das ist ungenießbar“, will einer wissen. „Das Herz, das ist das Beste. Warum man sich diese Mühe mit all den Blättern und Schichten, an denen doch fast nichts dran ist, machen soll, verstehe ich wirklich nicht…“ erläutert ein anderer.
Nun merkt sie doch, wie kalt es geworden ist.
Und in ihr hebt zaghaft ein Wunsch den Kopf: einen der beiden Weisen zu fragen, ob er sie heute Abend anfassen möchte.
Ich trage meine Nacht
überall.
Vorgestern besuchte mich
ein hartes Feuer.
Es spuckte wie ein Vulkan,
es kreischte
brennende Sätze.
Leichen leuchten
nur grün im Dunkeln –
ich mache mir Kerzen
aus ihren Schlüsselbeinen.
Das Schwarz
kann mich nicht beißen
mit meinem schreienden Feuer
mit meinen Totenkerzen
und wenn alles verglimmt
suche ich
Menschen.
Nichts schimmert so schön
wie lebendige Haut.
Damals: Übermenschen
In einem der seltenen Momente in denen sie die Ahnung, dass Cat sie bald verlassen würde, in ihr Herz ließ, fragte sie widerwillig und mit schwerer Zunge, warum sie sie mitgenommen hatte.
Die Blonde antwortete ohne zu zögern. Weil ich mich nicht mag, sagte sie, und du lenkst mich ein wenig von mir ab.
Der Alkohol und der Zweifel, ob die dieses Mädchen liebte oder nur selbst so geliebt werden wollte, wie sie dieses Mädchen liebte, tanzten Walzer in ihrem Kopf. Sie wippte ihren Fuß im Takt der Musik und setzte konzentriert das, was Cat ihr gesagt hatte, mit ihrem Zweifel zusammen wie ein Puzzle. Sie erhielt eine Erkenntnis, die ihr im kommenden Jahr viel hätte ersparen können, wenn da nicht plötzlich der Alkohol die Musik aufgedreht und auf Rock’n’Roll gewechselt hätte, sodass sie sich am nächsten Morgen an nichts von alldem mehr erinnerte.
Leih mir für einen Moment
deine Augen
damit ich mich wohlwollend
betrachten kann
Wenn man nur sieht
was man sehen möchte
bin ich rot-grün-blind
Ich will
gut sein
nicht für dich
einfach nur weil
ich ein wenig Liebe brauche
von jemandem
der mir näher ist
als du
Darum
verzeih mir
die Lüge
ich liebe dich nicht
und sei
gut
Donnerstag, 11. November 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
♥
AntwortenLöschen(mehr kann ich dazu nicht sagen :)
Danke fuer Deinen Kommentar, das freut mich. Am Wochenende habe ich einmal Pause vom Unistress, da gibt es hoffentlich ein Update.
AntwortenLöschen