Dienstag, 10. August 2010

Spiele

Damals: Höher

Sie war vorsichtiger geworden mit ihren Liebschaften. Auch, wenn das für den geneigten Betrachter nicht so aussehen mochte. Die zahllosen gebrochenen Männeraugen, die eingehenden Anrufe, die entsetzlichen Momente des unverhofften Wiedersehens, die vorwurfsvollen Blicke ihrer Freunde hatten sie ermahnt, dem Spiel etwas mehr Bedeutung zuzugestehen, als sie es bisher getan hatte.

(Nicht zu vergessen, auch wenn sie das nie zugeben würde, der Ire. Und daraus resultierend: ihre gebrochenen Augen im Spiegel, die ausgehenden Anrufe, die entsetzlichen Momente des unverhofften Wiedersehens, die mitleidvollen Blicke ihrer Freunde. Kant schickt seine Hochachtung.)

Gegen Ende ihres Aufenthalts in Schottland erkannte sie ihre Macht und eine Verantwortung, derer sie sich davor nicht völlig bewusst gewesen war. Doch sie sollte nicht nur die richtigen Schlüsse aus dieser Erkenntnis ziehen, denn ihre plötzliche Milde, die Vorsicht, mit der sie nun ihren wechselnden Liebschaften begegnete, war begleitet von Stolz. Dieser Hochmut war es, der ihr nach Schottland jeden Fall nur noch schwerer machen sollte.

(Und Frankreich sollte sie das Fallen lehren. Der richtige Zwilling sollte es perfektionieren. Sie sollte sich nach jedem Fall in noch unerreichbarere Höhen aufschwingen. Bis ihr eine Frau in einem weißen Kittel in einem weißen Raum an einem weißen Tag die Flügel stutzen sollte.
Ihre Renaissance.)


Ich schiebe eine Finsternis vor mir her.
Jeder verirrt sich in ihr.
Man verwechselt mich mit Licht.

Meine Stimme klingt
wie zerbrechende Tongefäße
(niemand wird um acht Uhr morgens
Kaffee aus ihnen trinken).

Mein Herzschlag ist Sturm
(eure Boote sind nie sicher).

Ich öffne deinen Kopf
und säe Fernweh.

Es wird keimen
sobald du in die Sonne stolperst
und Luft holst.



Heute: Tiefer

Die Tage verschwimmen.

Die Nächte werden klarer und reiner. Sie sind beherrscht von den gleichgültig lächelnden Augen des richtigen Zwillings und den gereizt fordernden Augen des falschen Zwillings. So leicht, sie zu unterscheiden.

Die Blicke der Beiden umkreisen sie wie Schäferhunde und treiben sie hierhin und dorthin. Sie ist ein Lamm, verloren in der Dunkelheit, schwankend und mit unsicherem Tritt hastend, fort von ihren dunklen Bewachern.
Sie verirrt sich in fremden Wohnungen und Betten. Sie blutet. (Doch das ist normal, sagt die Ärztin.) Das Blut klebt an ihr, immer, die Männer können es riechen. Die Hunde können es riechen.

Sie sitzt zusammengekauert in der Ecke, in der vor einigen Nächten der Betrunkene saß, und hält still. Irgendwo am anderen Ende des Raumes lauert ein paar dunkler Augen unter ergrauten Brauen. Sie kommen näher. Silberbart setzt sich zu ihr und sie sinkt dankbar an seine Schulter.

(Der Wolf wird gelassen verschmähen, die Hunde zu reißen. Er wird sie nur zu sich nehmen, sie wird sich zu ihm flüchten. Sie wird ihn ihre Wunden lecken lassen. Er wird genüsslich ihr Blut trinken.
Sie wird heilen.)


Irgendwo
in dieser schwarzen tropischen Hitze,
mit ihrer Luft,
die schwerer wiegt
als ein Körper,
mit ihren beißenden,
vertrauten Gerüchen -

Irgendwo dort
liegen wir.
Meine Beine geöffnet
wie ein Auge.

Raubkatzenauge,
lauerndes.

Vielleicht
ist dieses Gefühl im Magen
nur deine Hand,
die meine Eingeweide streichelt
und langsam tiefer wandert.

Bestimmt
ist dieses Pochen im Kopf
nur die Fülle an Namen,
die du mir im Schlaf gibst.

Ich weiß doch:
man soll
schlafende Wölfe wecken.

Und schon

sucht meine gierige Lammzunge
Milch.

3 Kommentare:

  1. Ich finde deine Gedichte wahnsinnig gut. Dankeschön!
    Lisa

    14. August

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  2. Es bewegt einen, besonders die Gedichte hier.
    Juliet.

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  3. Hallo Lisa und Juliet,

    vielen Dank für eure Kommentare und es tut mir Leid, dass ich so lange nichts posten konnte. Abenteuer ruft, Leben ruft, mein Laptop weint einsam und vergessen in der Ecke.

    Liebe Grüße

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